Sonntag, 5. April 2009
Der erste Ritt mit einem blinden Pferd
Wochenende
Dieses Wochenende war seit langem mal wieder sehr sonnig, sodass es mich auch an die frische Luft hinaus zog.
Damit ich in Zukunft alle Pferde draußen reiten kann, arbeite ich im Moment mit Alizee draußen. Am Freitag habe ich Alizee ja das erste Mal draußen geritten, das wollte ich am Wochenende gleich wiederholen. Normalerweise reite ich Alizee selten an drei aufeinanderfolgenden Tagen, aber um den bestmöglichen Trainingseffekt zu bekommen, habe ich das ausnahmsweise gemacht. Mein Bereiterkollege Stephane vom Nachbarstall hat mir freundlicherweise sehr geholfen. Ich bin zwar auch sehr beherzt im Umgang mit schwierigen Pferden, aber Stephane kennt vor keinem Pferd Scheu. Er war mir eine große Hilfe, auch wenn er nur am Platzrand stand und zugeschaut hat. Er kennt sich mit jungen Pferden super aus und hat mir schon ein paar Mal mit Alizee geholfen. Obwohl ich selber wahrscheinlich mehr Bammel hatte als das Pferd lief unser Training sehr gut. Alizee ist natürlich wie immer sehr guckig, aber wenn man viel mit ihr spricht, lässt sie sich doch zur Ruhe überreden. Wenn man bei ihr immer gleich starke Hilfen gibt, entspannt sie sich langsam. Jemand, der mal fest und mal feiner reitet, verwirrt sie total. Am besten reite ich mit ihr immer, wenn ich ein paar Bahnfiguren mache, sodass sie immer wieder die Hand wechseln muss. Dann ist sie so mit sich beschäftigt, dass sie gar nicht nach links oder rechts schaut.
Ein wichtiges Ereignis stand am Samstag an. Milord hat nun seinen Verband am Auge abbekommen. Der Tierarzt war am Samstagmorgen da und hat sich das Pferd nochmal angeschaut. Nach einigen Tests kam dann leider die Diagnose: Das Auge ist nicht mehr zu retten und Milord sieht nun rechts nichts mehr. Das ist schon eine gravierende Behinderung für ein Fluchttier, noch dazu, wenn es sich um ein Springpferd handelt. Mit nur einem Auge geht jegliches räumliche Sehen verloren und die Hälfte des Sichtfeldes fehlt.
Obwohl das alles sehr schlimm ist braucht Milord jetzt erst recht eine Aufgabe. Es wäre falsch, das Pferd einfach wegzustellen, nur weil es nicht richtig sehen kann. Ich habe zwar sehr viel Respekt vor der zukünftigen Arbeit, aber ich glaube fest daran, dass Milord trotzdem ein tolles Pferd bleibt.
Am Samstagmittag habe ich dann den ersten Versuch gewagt, Milord zu bewegen. Longieren fand ich nicht so gut, weil er ja dann entweder mich oder auf der Außenseite nichts sehen kann. Unter dem Sattel habe ich das Pferd immer noch am besten im Griff, deshalb habe ich ihn einfach gesattelt.
In die Halle wollte ich nicht, weil da besonders am Wochenende immer sehr viel los ist. Entgegenkommende Pferde würden Milord jetzt nur verwirren, deshalb bin ich auf den Außenplatz gegangen. Unser Platz liegt mitten auf einem Feld und ist etwa 70m von einem Radweg entfernt. Mein Vater hat mir geholfen, da ich den ersten Ritt nicht alleine angehen wollte. Zuerst haben wir das Pferd gemeinsam ein paar Runden um den Platz geführt auf beiden Händen, das ging eigentlich sehr gut. Dann habe ich mich in den Sattel gesetzt und ließ mich erst mal führen. Ich habe immer mit dem Pferd gesprochen und es ganz behutsam angefasst. Mein Vater ist dabei an der linken Seite gelaufen und hat Milord ein bisschen festgehalten. Das lief eigentlich alles so, als könnte das Pferd noch auf beiden Augen sehen. Dann habe ich versucht, alleine zu reiten. Mein Vater hat sich an den Zaun gestellt und zugeschaut. Zuerst habe ich ein paar Runden im Schritt gedreht, dann habe ich angetrabt. Einmal wollte ich die Hand wechselt und ritt dabei genau auf meinen Vater zu. Auf einmal hat Milord einen kleinen Hüpfer zur Seite gemacht, weil mein Vater vorher nicht sichtbar gewesen war. Er machte dann ein paar Galoppsprünge auf der Stelle, aber ließ sich schnell wieder einfangen. Ich bin dann mit ihm zum Zuschauer hin und ließ ihn schnuppern. Danach habe ich noch ein paar Handwechsel geritten in allen Ecken des Platzes, um alles möglichst normal aussehen zu lassen. In den Ecken verspannte sich Milord manchmal etwas, aber ich war eigentlich positiv überrascht. Das Reiten lief soweit gut, aber beim Absatteln hat er sich zweimal sehr erschrocken. Mein Vater kam einmal aus der Sattelkammer raus und bewegte sich natürlich, aber das konnte Milord nicht sehen. Dann hat er auch kurz einen Satz gemacht. Nach dem Reiten kam sein Boxennachbar an die Türe geschossen, das erschreckte ihn auch ein bisschen. Trotzdem war ich sehr erstaunt, wie leicht das alles ging. Manch anderes Pferd, das mit beiden Augen sehen kann, erschrickt sich genau so oft.
Am Sonntag bin ich dann nochmal geritten, das ging eigentlich auch ziemlich gut, bis auf ein paar Überraschungssprünge, wenn Milord plötzlich Hindernisse sah auf dem Platz. Wenn man nicht weiß, dass er blind ist, fällt einem das wohl gar nicht auf. Ich hoffe wirklich sehr, dass er seine Sicherheit noch soweit trainieren kann, dass man mit ihm auch ins Gelände gehen kann. Ich denke dann werde ich zusammen mit einem anderen Pferd auf der linken Seite ausreiten, damit er sich an einem Artgenossen orientieren kann. Aber daran wage ich mich vorerst noch nicht.
Am Sonntag lief das Training eigentlich auch gut, zum Glück war es draußen relativ ruhig. Wenn Milord in nächster Zeit auf dem Platz sicherer wird, gehe ich mit ihm erst mal in die Halle, damit er sich an plötzlich entgegenkommende Pferde auch gewöhnt.
Ansonsten bin ich am Wochenende noch ein paar Mal im Gelände gewesen, meistens zusammen mit meinem Vater. Er hat wenig Zeit für die Pferde und geht deshalb meistens nur am Wochenende reiten. Langsam geht aber seine Turniersaison wieder los. Mit Ditlena ist er deshalb am Sonntag noch gesprungen, um wieder ein bisschen reinzukommen. Sie war eigentlich ganz gut, obwohl sie selten von meinem Vater geritten wird. In zwei Wochen hat er wieder ein Springen gemeldet. Früher ist er sehr oft selber geritten und hatte manchmal bis zu fünf Pferde am Tag, aber mittlerweile ist er beruflich so eingespannt, dass dafür leider keine Zeit bleibt. Eigentlich ist es ja sein Hobby und eher mein Beruf.
Am Samstagabend war ich noch mit Stephane auf einem Turnier etwa 50km von hier. Er ist dort mit zwei Nachwuchspferden in einem M-Springen gestartet und ist mit beiden platziert worden, das war wirklich eine gute Leistung. Danach waren wir noch ziemlich lange auf dem Turnier, sodass es mal wieder spät geworden ist am Abend. Das ist halt so mit den Turnieren, man beginnt immer zu plaudern und kennt da und dort jemanden. Meistens verbringt man dann ungewollt das ganze Wochenende auf dem Turnierplatz irgendwo zwischen Abreiteplatz, Kuchenstand und Meldestelle.
Während meiner Ausbildungszeit habe ich in einem sehr großen Stall gearbeitet mit über 50 Jungpferden. Dann sind wir zwischen März und Oktober fast jedes Wochenende mit einem 10er LKW aufs Turnier gefahren und haben zum Teil sogar dort übernachtet. Abends ist dann immer Party, Party, Party bis in die frühen Morgenstunden. Manchmal bewegt man sich von der Bar gleich wieder in den Sattel für die erste Prüfung morgens…
Stephane und ich planen mit ein paar anderen Reiterfreunden mal ein gemeinsames Trainingswochenende bei ihm im Stall, wo einige Bereiter mit jungen Pferden kommen können, dann geben wir uns gegenseitig Tipps. Mal schauen, was daraus wird.

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